Licht und Schatten

Solo Trip - Kreuzfahrt ins Ungewisse

 

* Die passenden Bilder, die du zur story siehst, wurden von mir und meinem KI Assistenten Alex dialogisch gestaltet. Noch ist er nicht in der Lage, immer wieder dieselbe Figur in ein neues Szenenbild zu setzen, was hoffentlich nicht weiter schlimm ist, um die Geschichte zu verstehen.

 

                              Tag 5 von 8  Argostoli / Kefalonia   Licht & Schatten

 

“Manche Menschen haben einen von Natur aus optimistischen und dynamischen Blick auf das Leben. Doch ich gehöre wohl nicht zu dieser Sorte. Meine Kreuzfahrtreise auf Solotrip führt mich nach Kefalonia, einer Insel voller Schönheit. Doch in mir sieht es anders aus. Die äußere Idylle entspricht meinem Bemühen, nach außen hin selbstbewusst und stark zu wirken, doch in mir tobt noch immer der Aufruhr von Unruhe und Zweifel. Werde ich sie hier endlich los?”

 

Licht / Spurensuche / Schatten / Krokodilstränen / das Kloster / Heilung


Licht

Das Schiff hat Korfu längst verlassen. Während wir uns in Richtung Argostoli bewegen, bleibt ein unruhiges Gefühl in mir, das sich nicht so leicht abschütteln lässt. Obwohl die Begegnung mit Kaiserin Sisi, die nur in meiner Fantasie stattfand, mir Trost und Orientier-ung bietet und meine körperlichen Beschwerden langsam nachlassen, spüre ich, dass mich die bisherige Reise emotional erschöpft hat und ich mich in einem sehr negativen Gefühl wiederfinde, das mich belastet, da es ein Zustand von Traurigkeit ist: Melancholie, die mich lähmt!

 

Melancholie ist ein Gefühl, das zum Leben gehört- sie kommt und geht. Doch es ist ent-scheidend, wie man mit ihr umgeht. Sie ist wie eine Erinnerung daran, wie wertvoll Licht und Wärme für das innere Gleichgewicht sind. Wer zu lange in der Melancholie verweilt, läuft Gefahr, den optimistischen Blick für das Leben zu verlieren.

 

Sonne ist die beste Medizin, um Melancholie zu mildern. Sonne wärmt nicht nur von auß-en. Sie hat die Kraft, auch unser Inneres zu erhellen, um der „Schwermut in uns selbst“ entgegenzutreten. Jeder Mensch sollte seinen “Sonnenplatz” finden, um die innere Dun-kelheit zu vertreiben und in Energie umzuwandeln. Während ich versuche, Erlebtes „im Schlaf“ zu verarbeiten, beginne ich zu verstehen, dass ich mir oft selbst im Weg stehe. Es wird mir klar, dass ich nicht länger zulassen kann, was mich behindert.

Haben mir nicht die besonderen Momente auf Korfu gezeigt, dass es immer wieder Mög-lichkeiten gibt, das Leben positiv zu betrachten? Diese Reise lehrt mich, dass es eine be-wusste Entscheidung braucht, der Melancholie nicht nachzugeben, sondern die Leichtig-keit des Lebens zuzulassen.

 

Und nun, ausgestattet mit vielen neuen Eindrücken im Gepäck, fasse ich einen neuen Vor-satz: Der Solotrip birgt die Chance, zu entdecken, was das Leben noch für mich bereit-hält. Es geht nicht darum, wie viel Geld oder Luxus diese Erlebnisse kosten. Der wahre Wert dieser Reise liegt in den Erfahrungen, die mich bereichern sollen und die unbezahl-bar sind.


Spurensuche

Sunrise. Argostoli liegt inzwischen unmittelbar vor uns- ein mal-erischer Hafen, der langsam Form annimmt. Der Landgang ist erfolgreich gebucht, und nun beginnt die Zeit des Wartens bis zum Anlegen.

 

Es sind nur noch wenige Stunden, bis ich von endlich von Bord gehen kann, die ich nutze, um mich im Internet über das „be-rühmte Kloster“ auf Kefalonia zu informieren, das Ziel meiner heutigen Erkundungstour. Die Recherche erweist sich als um-                                         fangreich.

 

Schon bald stoße ich auf historische Beschreibungen des Klosters Agios Gerasimos. Es wird von kunstvollen Fresken berichtet, die Maria in einer ungewöhnlichen Pose zeigen- vollbusig und ihr Kind stillend, was in der griechisch-orthodoxen Kirche damals fast ein Tabu war.

 

Diese Darstellung wurde von der strengen Orthodoxie jener Zeit zum Teil abgelehnt, und doch scheint das Kloster ein Zufluchtsort für solche Werke gewesen zu sein. Ein Ort des stillen Widerstands gegen die starren religiösen Normen. Je mehr ich über dieses Kloster lese, desto mehr drängen sich Erinnerungen aus meiner Kindheit in meine Gedanken.

 

Besonders eine Begebenheit rückt immer weiter in den Vordergrund, eine Erzählung mei-nes Vaters. Es ist eine beiläufige Bemerkung, die er einmal gemacht hatte: Als junger Mann habe er ein Kloster in Griechenland besucht. Damals schien mir diese Geschichte unbedeutend, doch jetzt, auf dieser Reise, taucht sie unvermittelt in meinem Bewusstsein auf.

 

Das Kloster Agios Gerasimos ist wahrscheinlich der Ort zu sein, den mein Vater einst be-sucht hatte. Was war es, das ihn damals so beeindruckt hatte? Während ich weiter lese und mehr über die religiöse Symbolik und die architektonischen Besonderheiten erfahre, wird mir klar, dass diese Reise nicht nur eine touristische Erkundung sein wird.

 

Ich spüre, dass mich diese Spurensuche auch auf eine (unfreiwillige) Reise in meine eige-ne (gern vergessene) Vergangenheit führen wird.


Schatten

Die Erinnerung an meinen Vater ist nicht gerade positiv und be-reitet mir ein mulmiges Gefühl. Plötzlich finde ich mich in mei-ner Kindheit wieder, wie damals, als ich als Junge seinen Wort-en lauschte, ohne wirklich zu verstehen, was sie bedeuteten.

 

Jetzt, Jahre später, scheint ausgerechnet dieses Kloster den Schlüssel zu einer längst verdrängten Erzählung zu bergen, die nicht von Schönheit oder Harmonie berichtet, sondern von ei-nem tiefen traumatischen Einschnitt.


Vielleicht liegt es an den konfliktreichen Erfahrungen meiner Kindheit, die mich und mei-ne Familie damals geprägt haben. Fehlende emotionale Nähe meiner Eltern ließ mich früh ein starkes Bedürfnis nach Unabhängigkeit entwickeln, was auch Unsicherheit in mir nähr-te.

 

Obwohl ich den Wunsch verspürte, auf eigenen Füßen zu stehen, hinterließ die mangelnde Bindung in meiner Familie ein tiefes Gefühl der Ratlosigkeit. Selbst in Momenten, in denen es wichtig gewesen wäre, als Familie füreinander da zu sein, erinnere ich mich, fühlte ich mich oft von den Eltern im Stich gelassen. Immer war etwas wichtiger als sich Zeit für zu nehmen. Das Gefühl von den eigenen Eltern „übersehen zu werden“, schmerzte.

 

Der Wunsch, unabhängig sein zu können, wuchs deshalb schon früh in meinen Gedanken. Die Entfremdung zwischen meinen Eltern und mir wuchs, als die Erwartungen an mich- besonders von meinem Vater- immer konkreter wurden. Besonders, als ich den Wunsch äußerte, Schauspieler zu werden, wurde die Kluft zwischen uns tiefer. Er konnte mein Ziel nicht akzeptieren und reagierte mit scharfem Unverständnis und Abscheu. Am liebsten hätte er diesen Traum aus mir herausgerissen.

Als ich schließlich nach einer Auseinandersetzung vor die Tür gesetzt wurde, stand ich ganz alleine da, ohne zu wissen, wohin ich gehen sollte. 
Heute, viele Jahre später, verste-he ich, dass es nicht nur meine Wut und mein Aufbegehren waren, die uns trennten. Auch meine Eltern handelten aus Angst und Überforderung. Sie hatten Sorge, dass ich scheitern würde, wenn ich meinen, für sie unsicheren Weg der „brotlosen Kunst“ gehen würde.

 

Doch anstatt darüber ausführlich und angstfrei zu reden, galt das „Basta“-Wort des Va-ters, was hinzunehmen war. Über viele weitere Jahre danach entfernten wir uns immer weiter voneinander und suchten zunächst von beiden Seiten keinen Kontakt zueinander.

 

Die Beziehung zerbrach, weil wir nicht in der Lage waren, einander wirklich zuzuhören. Die Schatten der Vergangenheit begleiten mich bis heute. Diese innere „Sicherheitsdistanz“, die ich als Kind und Jugendlicher aufgebaut hatte, um mich vor weiteren Verletzungen zu schützen, hat sich tief in mir verankert. Auch wenn ich es mir oft anders wünsche, fällt es mir sehr schwer, echte Nähe zuzulassen, sei es in Freundschaften oder in „romantischen Beziehungen“.

 

Es ist, als ob ich stets einen unsichtbaren „Schutzschirm“ vor mir hertrage, der verhindert, dass jemand wirklich nah genug an mich heran-kommt. Dieser „Schirm“ hat mich über die Jahre hinweg versucht, sicher zu halten, und dennoch scheiterten Beziehungserfahrungen mit erneut erlebter Ablehnung. Je älter ich werde, desto mehr spüre ich, dass ich mich nicht mehr wirklich für jemanden öffnen kann.

Die schmerzlichen Erfahrungen von damals sind als Form der „subjektiv empfundenen Prägung“ nie wirklich aufgearbeitet worden. „Ablehnung als Schutz vor Verletzung“ hat sich in meinem Leben leider bereits über die Jahre etabliert, als ein ständiger Aufpasser, der mich daran hindert, vollständig in Beziehungen einzutauchen.

Es ist schwer, die alten Wunden loszulassen, wenn sie so tief sitzen. Ich merke, wie sie mich bis in die Gegenwart verfolgen und beeinflussen, wie ich heute lebe und wie ich mit anderen Menschen umgehe. Der innere Zwiespalt zwischen dem Wunsch nach Nähe und der Angst vor Verletzung bleibt oft ein beständiger Begleiter.

Dennoch ist es möglich, Verantwortung zu übernehmen. Der erste Schritt besteht darin, sich dieser emotionalen Muster bewusst zu werden und anzuerkennen, dass sie nicht un-überwindbar sind. Es geht darum, sich den eigenen Ängsten zu stellen und die „Melan-cholie“, die sich oft einstellt, nicht zur Dauerbegleitung werden zu lassen.

Es ist ein ständiges Auf und Ab, aber mit jedem Schritt, der aus der Melancholie heraus-führt, kommt man der inneren Freiheit ein Stück näher. Es ist nicht einfach, doch der Weg zur Heilung beginnt mit der Bereitschaft, den "Schutzschirm" nach und nach zu senken.


Krokodilstränen

Der Tagesausflug nach Agostoli, Kefalonia, sollte schon am frühen Vormittag beginnen, was meinen eigenen Rhythmus komplett durcheinander brachte. Hatte ich bisher immer die Möglichkeit, in Ruhe auszuschlafen und entspannt zu frühstücken, musste ich mich nun plötzlich einem strikten Zeitplan unterwerfen. So packte ich hastig ein paar Dinge in meinen Rucksack und erreichte im letzten Moment den gebuchten Reisebus.

Das Ticket vorgezeigt, freute ich mich, zum Glück noch einen freien Fensterplatz zu ergat-tern. Der Sitz neben mir war allerdings noch frei, ebenso wie ein weiterer im hinteren Be-reich des Busses. Alle anderen Plätze waren bereits belegt. Kurz nach mir stieg doch noch ein älteres Ehepaar ein, das ebenfalls zu spät gekommen war. Ohne andere Wahl mussten sie sich auf die verbliebenen Plätze verteilen, die die Reiseleiterin im Bus für sie vorgese-hen hatte.

 

Die Dame wurde neben mich gesetzt, und der Ehemann musste hinten Platz nehmen. So- fort fiel mir ihr unglücklicher Gesichtsausdruck auf, als sie realisierte, dass sie nun von ih-rem Mann getrennt war- und, obwohl es nur wenige Meter waren, schien diese Distanz für sie so groß, wie sie es in ihrem Leben wohl noch nie erlebt hatte. Ihr Gesichtsausdruck verdunkelte sich, sie atmete schwer, und plötzlich breitete sich ein unangenehmes Gefühl aus.

 

Die Atmosphäre, die zuvor leicht und unbeschwert war, wurde von einer schweren Last geprägt, der selbst ich mich nicht mehr entziehen konnte. Es war, als wüsste ich bereits, dass ein Problem auf mich zukommen würde, eines, das ich nicht bereit war zu lösen, das jedoch unweigerlich eine Lösung erforderte.

Plötzlich sah ich, wie ihr die Tränen über das Gesicht liefen. Ein emotionales Signal, das mich traf. Ich suchte verzweifelt in meinem Rucksack nach einem Taschentuch, fand nur ein zerknülltes und reichte es ihr. 
"Alles in Ordnung?" fragte ich leise und besorgt, aber ih-re Antwort war bloß ein "Es ist gut", während sie das angebotene Taschentuch ablehnte. Dieses Zeichen war unmissverständlich- sie wollte es nicht annehmen.

 

Innerlich begann ein Konflikt in mir zu toben. Ihre Tränen schienen eine stille Manipulation zu sein, die mich unter Druck setzte. Sollte ich wirklich meinen hart erkämpften Fenster-platz aufgeben, den einzigen Vorteil, den ich in diesem stickigen, überfüllten Bus hatte?

In meiner Wut rief ich die Reiseleiterin und fragte sie, ob es nicht irgendeine Möglichkeit gäbe, das Paar zusammenzusetzen. Doch die Reiseleiterin wies meine Bitte knapp zurück.

 

Der Bus habe sich bereits in Bewegung gesetzt, alles verlaufe nach Vorschrift, und ein Platzwechsel sei nicht mehr möglich. Mit dieser Antwort ließ sie mich praktisch stehen und signalisierte auch der alten Dame, dass sie sich von ihren Tränen nicht beeindrucken ließ. Meine Wut kochte weiter hoch, und alles in mir wehrte sich dagegen, nachzugeben.

 

Doch just in dem Moment, als ich entschlossen war, meinen Platz zu verteidigen, tauchten die Bilder von Kaiserin Sisi und Denisius auf. Sanft gaben sie mir als Botschaft zu versteh-en, was ich aus meinem Korfu- Aufenthalt gelernt hatte: "Liebe kann nur zu jemandem kommen, der selbst in der Lage ist, Liebe zu schenken." Das war der Ratschlag, den sie mir auf den Weg gaben, nicht als Forderung, sondern als stille Mahnung.

Mit einem charmanten Lächeln, das alles überspielte, bot ich der Dame an, den Platz mit ihrem Ehemann zu tauschen. Meine innere Enttäuschung war jedoch groß. Widerwillig und mit zusammengekniffenem Mund tauschte ich den Platz mit dem Mann. Und dann pa-ssierte es: Wie auf Kommando verschwanden die Tränen. Es waren nichts weiter als Kro-kodilstränen, auf die ich hereingefallen war. Was für ein billiges Schauspiel- und ich, so naiv, hatte es nicht einmal bemerkt.

Ich saß in einem überfüllten, stickigen Bus. Anstelle eines Panoramablicks auf das Meer, starrte ich auf die Glatze meines Vordermanns, während neben mir ein dicker Mann saß, der mir jegliche Sicht auf das Fenster nahm. Glänzende Aussichten. Doch ich hatte meine Pflicht erfüllt und mich unfreiwillig (selbstlos) dazu entschieden, "Liebe zu schenken". Doch der Preis dieser Erfahrung war verdammt hoch. Meine Gutmütigkeit war schändlich ausgenutzt worden- was für eine Posse!


Das Kloster

Auch wenn ich die malerische Fahrt durch Kefalonia (vorbei an grü-nen Tälern, gesäumt von Zypressen, Olivenhainen und Pinienwäld-ern) nur eingeschränkt genießen konnte, bemerkte ich, wie die Landschaft allmählich grauer und rauer wurde. Die grünen Hügel wichen schon bald einer kargen, steinigen Natur, die immer trister und einsamer wirkte. Und dann, fast unscheinbar in der Ferne, ent-deckte ich einen kleinen Punkt: das Kloster Agios Gerasimos. 

 

Kein imposantes Bauwerk, sondern ein verlassener Ort, der inmitten dieser rauen Umgeb-ung wie der letzte Anker des Lebens erschien. Unvorstellbar, dass Menschen in dieser Ein-öde freiwillig bereit waren, ihr Leben einem Kloster zu widmen. 

 

Die Reiseleiterin bereitete uns langsam und einfühlsam auf die wichtigen historischen und religiösen Aspekte des Klosters vor. Sie erzählte uns, wie stark Griechenland mit der Kir-che und dem Glauben verbunden ist. Doch sie machte auch deutlich, dass das Kloster einst ein wichtiger Ort für die Region, mittlerweile fast ausgestorben war. Nur vier Nonnen lebten hier, unterstützt von der Dorfgemeinschaft, doch der Verfall des Klosters war of-fensichtlich. Während meine Mitreisenden gespannt weiteren Erläuterungen lauschten, wanderten meine Gedanken zurück zu meinem Vater.

 

Er, Schichtarbeiter und Werkzeugmacher, und ich hatten kaum Berührungspunkte. In mei-ner Jugend interessierten mich seine Ratschläge wenig. Erst vor kurzem war er plötzlich an einer akuten Lungenentzündung verstorben, und obwohl ich die Tragik seines Todes deutlich spürte, blieb unser Verhältnis zu Lebzeiten immer distanziert. Im Rückblick be-dauere ich, dass wir keine wirkliche Kommunikation aufbauen konnten.

 

In den letzten Jahren, nachdem ich mein Studium in einer Stadt abgeschlossen hatte, die weit von der Heimat meiner Eltern entfernt lag, wurde mir bewusst, wie sehr mir die Nähe zu meinem Vater fehlte. Ich versuchte, diesen Rückstand aufzuholen, und entdeckte bei seltenen Besuchen, was für ein sanfter Mensch er eigentlich war.

Mein Vater bestand nicht nur aus Arbeit, sondern auch aus großer Sorge um die Familie und einer tiefen Verbundenheit mit der Natur. Besonders wenn wir gemeinsam seinen großen Garten pflegten, gab es Momente der Ruhe, in denen er mir ein wenig aus seinem Leben erzählte.

 

Fragen an ihn, auf die er mir nun keine Antwort mehr geben konnte, hinterließen ein un-vollständiges Bild über ihn. Doch dann drehten sich rückblickende Überlegungen hin zu dem Blick nach vorn: Was auch immer es war, dieses Kloster hatte eine Seite meines Va-ters berührt, die ich nun mit wachsender Neugier beginnen wollte, zu entdecken.

 

Meine Gedanken an ihn gingen tiefer. Könnte es sein, dass hier der Platz war, an dem ich meinem Vater spirituell spürbar noch einmal ein Stück näherkommen könnte? War mein Vater vielleicht nicht der Mann, den ich zu kennen glaubte? Hatte ich all die Jahre nur eine Fassade gesehen, die wahre Person hinter einem Schleier von Pflichterfüllung und Diszi-plin verborgen? Würde ich Antworten finden?

 

Ich verspürte den Wunsch, meinen Vater neu zu erforschen, ihn nicht mehr zu verurteilen, sondern die Puzzleteile dieses neuen Bildes behutsam zusammenzusetzen. Vielleicht war das Mosaik meines Vaters vielschichtiger, als ich jemals vermutet hätte - und das machte mich bereit, ihn auf eine ganz neue Weise kennen zu lernen.


Das abrupte Halten des Busses holte mich aus meiner „Reise in die familiäre Vergangenheit zurück“- wir waren am Ziel angekommen. Beim Eintritt in das Kloster spürte ich den Respekt vor der Stille und der Heiligkeit dieses Ortes.

 

Die unendlich alten Fresken, die die Wände des Klosters zierten, bekamen durch die Erklärung der Reiseleiterin eine ganz neue, tie-fere Bedeutung. Es war nicht nur der typisch griechische Altar, auf dem Jesus dargestellt wurde, sondern auch die Heiligen des Klosters und „wichtige“ Per-sönlichkeiten, die hier gelebt und das Kloster finanziell unterstützt hatten.

 

Sie alle waren in den Bildern verewigt, als Anerkennung für ihr Engagement über die vielen Jahre. Einige der Abbildungen am Mauerwerk waren jedoch nicht mehr vollständig erhalt-en. Viele Fresken waren verblasst oder nur noch in Ansätzen zu erkennen, da schlicht das Geld für die notwendige Restaurierung fehlte. Zahlreiche Spenden von Touristen reichten nicht, die Vergangenheit zu erhalten. Während meine Mitreisenden den sanften Worten der Reiseleiterin lauschten, drifteten meine Gedanken wieder zu einer anderen Geschichte ab- der langen, tiefen Liebe meines Vaters zu meiner Mutter.

 

Über 55 Jahre waren sie „glücklich miteinander“ verheiratet. Ihre Ehe war wie ein Funda-ment, auf das sich beide verlassen konnten. Es war eine Partnerschaft, die durch so viele gemeinsame Momente gefestigt war. Wäre es nicht zu dem plötzlichen Schicksalsschlag gekommen, durch den mein Vater so unerwartet verstarb, würde meine Mutter nicht (seit inzwischen drei Jahren) jeden Tag erneut in tiefer Trauer um ihn weinen.

Der Verlust dieses großartigen Ehemannes, meines Vaters, war für sie fast unüberwindbar, denn er fehlte ihr, als wäre ein Teil von ihr gegangen. Ihre Liebe zueinander war durch die Jahre gewachsen und hatte eine Tiefe erreicht, die in ihrer Beständigkeit einzigartig war, ein stilles, aber unzerbrechliches Band.

„In diesem Kloster denkt man unweigerlich über die Liebe nach“, hörte ich die Reiseleiter-in sanft sagen. Es war, als hätte sie meine Gedanken gelesen. Ihre Stimme war einfühl-sam, fast schon tröstend, als sie der Reisegruppe und mir die Gelegenheit gab, die letzten Minuten im Kloster auf uns wirken zu lassen. Sie schien zu spüren, dass einige von uns, mich eingeschlossen, diesen Augenblick der Stille und der Einkehr dringend brauchten.

Während viele meiner Mitreisenden bereits das Kloster verließen und zum Reisebus zu-rückkehrten, fühlte ich, dass dies mein Moment war. Endlich hatte ich die Gelegenheit, die Kerze für meinen Vater anzuzünden. Die Nonne reichte mir mit einem leisen, verständnis-vollen Lächeln eine an. 

 

Als ich das Licht der Kerze entzündete, legte ich all meinen Respekt, meine tiefe Verbun-denheit und vielleicht auch die unausgesprochene Liebe hinein, jene Liebe, die ich ihm nie vollständig gezeigt hatte. Es war ein stiller, kraftvoller Moment der Trauerbewältigung und der Rückverbindung. In dieser Geste lag so viel, was ich meinem Vater nie in Worte fassen konnte. Und doch, in dieser Kerze, in diesem Licht, schien all das Platz zu finden.

 

Dann ließ ich meinen Blick suchend über die Bilder gleiten, um nach der Ikone zu suchen, von der mein Vater einmal berichtet hatte. Er hatte gesagt, dass das Bild einen etwas dunkleren Hautton zeigte, was ihm so ungewöhnlich vorkam, dass es in seiner Erinnerung haften geblieben war. Es waren nur zwei, drei Schritte, bis ich plötzlich vor diesem Bild stand. Ich hatte es gefunden.

 

Die Madonna auf dem Bild blickte mich mit ihren ruhigen, durchdringenden Augen an. Ihr goldener Hintergrund war an vielen Stellen abgetragen, und doch strahlte das Bild eine beeindruckende Kraft und Ruhe aus.

Mein Vater kannte die Darstellungen der Mutter Gottes nur aus seiner Heimatkirche. Diese griechische Ikone war für ihn etwas völlig Neues. Vielleicht war es genau diese Abweich-ung von seinem vertrauten Bild, die ihn so sehr verwunderte und in Erinnerung bleiben ließ. Er hatte mir damals von diesem Bild erzählt, weil es ihm in seiner Einfachheit und Andersartigkeit aufgefallen war.

Nun stand ich selbst vor dieser Ikone und hatte die Gelegenheit, sie mit dem Hintergrund-wissen, das mein Vater mir mitgegeben hatte, genauer zu betrachten. Und je länger ich hinsah, desto mehr spürte ich die unwahrscheinliche Stärke und Ruhe, die von dieser Mutter ausging, einer Mutter, die ihr Kind beschützte.

 

Vielleicht war es genau diese Verbindung, die meinem Vater gefiel. Auch wenn er nicht die "Mutter" war, erkannte er in sich den Beschützer. Jemand, der mich mit ruhiger Hand auf den richtigen Weg führen wollte, mit Geduld und Verständnis– und dazu brauchte es nicht viele Worte. Sicher gab ihm diese stille, beschützende Kraft den Mut, mich zu leiten. Auch wenn unser Weg oft von Umwegen geprägt war, hatte mich die Erinnerung an seine Ge-schichte- durch seine unsichtbare Hand- hierher geführt. In diesem Moment spürte ich eine unendlich große Dankbarkeit, dass ich sein Sohn sein durfte.

 

Manchmal sucht man nach der Liebe, ohne zu bemerken, dass sie schon immer in der Fa-milie war (oder ist), die auch über den Tod hinaus besteht. Und so fühlte ich, dass ich auf diese Weise meinem Vater etwas zurückgeben konnte- eine Geste der Dankbarkeit und der Erinnerung, die uns auf besondere Weise weiterhin miteinander verbinden wird.


Heilung

Das energische Hupen des Busses riss mich aus meinen Gedanken. Während die Reiseleiterin schon einige der verbliebenen Gäste bat, endlich in den Reisebus mit der Nummer 12 einzusteigen, nutzte ich noch die Gelegenheit, mich von einer der vier Nonnen zu verab-schieden. Mit einer Mischung aus Deutsch, Englisch und ein paar griechischen Wörtern versuchte ich, ihr meine Bewunderung für ihr Leben auszudrücken.

 

„Ähm, sorry... I mean... danke… efchar-istó... do you... ehm... fehlt dir... you know... miss something in... your life?“ stammelte ich. Die Nonne verstand mich offenbar, denn sie lachte laut auf, so herzlich und warm, dass es fast ansteckend war. Dann schob sie mich sanft in Richtung des Busses. „Alles gut, mein Jun-ge, alles gut“, sagte sie, tätschelte mir den Kopf und gab mir einen leichten Klaps auf den Po- ein klares Zeichen, dass es nun an der Zeit war, einzusteigen.

 

Im Bus nahm ich meinen Platz ein, den ich auf der Hinfahrt dem älteren Pärchen überlas-sen hatte. Sie saßen zufrieden beieinander, knabberten an einem geteilten Butterbrot, als ob nichts auf der Welt sie stören könnte. Besonders die alte Dame, die zuvor noch meine Hilfe und mein Taschentuch mit ihren Krokodilstränen abgelehnt hatte, überraschte mich.

 

Mit einer Zärtlichkeit, die ich ihr kaum zugetraut hätte, zog sie nun ein eigenes, ordentlich gefaltetes Taschentuch heraus und wischte ihrem Mann den Mund ab. Der kannte dieses Ritual offenbar gut und ließ es zufrieden über sich ergehen, als wäre es der natürliche Ab-schluss einer gemeinsamen Mahlzeit.

 

Die Rückfahrt war merkwürdigerweise sehr viel entspannter als die Hinfahrt zum Kloster. Die Atmosphäre im Bus war ruhig, fast andächtig, als ob der Eindruck des Klosters noch nachwirkte. Schon nach ein paar Minuten erreichten wir unseren letzten Höhepunkt, den berühmten Strand von Myrtos.

 

Bevor wir ausstiegen, erklärte uns die Reiseleiterin begeistert, was für ein besonderer Ort dieser Strand sei: umgeben von steilen Klippen, mit türkisblauem, kristallklarem Wasser, ein echtes Paradies.

Wir bekamen eine Stunde Zeit, um das Meer zu genießen, die Wellen zu spüren und den Blick in die Ferne schweifen zu lassen. Zum ersten Mal seit fünf Tagen konnte ich in der freien Natur schwimmen- nicht im überfüllten Pool an Bord, sondern im weiten, sanften Meer.

 

Das Wasser war unglaublich weich und klar, kleine Fische schwammen um mich herum, und die Sonne glitzerte auf der Wasseroberfläche. Es war ein Moment reiner Leichtigkeit- ich ließ mich treiben, planschte wie ein Kind und spürte, wie das Sorgengerüst, in dem ich mich tagtäglich bewegte, langsam von mir abfiel. Die negativen Gedanken, die mich oft begleiten, waren plötzlich fort.

 

Dieses Bad im Meer war nicht nur erfrischend; es war, als würde es meine Seele reinigen. Als ich schließlich aus dem Wasser stieg, fühlte ich mich wie neu geboren- zufrieden und glücklich, als hätte ich lange nach diesem Gefühl gesucht.


Endlich konnte ich mich zum Sonnenbaden an einen schönen Platz am Strand begeben und mit einem gewissen ehrfurchtsvollen Blick das Kreuzfahrtschiff betrachten, das nicht unweit vor Kefalonia an-kerte und gut zu sehen war.

 

Es war ein stolzes Schiff, das Mut, Glanz und eine starke majestä-tische Kraft ausstrahlte. Alle negativen Gedanken, die ich zuvor melancholisch assoziiert hatte, waren wie für immer weggespült.

Die Augen geschlossen, spürte ich mich umgeben von "Frieden" und einem Gefühl von "Si-cherheit", was ich wohl brauchte, um so genussvoll träumen zu können, dass die Zukunft plötzlich voller Hoffnung rosig war.

 

Doch war es nur ein kurzer stiller Moment, denn auf einmal stand der alte Mann vor mir, dessen Frau ihm eben noch im Bus den Mund abgewischt hatte. „Ich wollte mich bei Ih-nen bedanken“, setzte er grummelnd an. „Ich hatte bisher keine Gelegenheit, zu sagen, dass es wirklich eine feine Geste war, Ihren Fensterplatz aufzugeben.“

 

Dann lächelte er leicht verschmitzt und fügte mit leiserer Stimme hinzu, so dass seine Frau es nicht hören konnte: „Es ist übrigens meine elfte Kreuzfahrt. Wissen Sie, warum? Weil es der Wunsch meiner Frau ist. Wenn man seine Frau liebt, dann macht man das.“ Er lachte leise vor sich hin, nickte mir als Abschiedsgruß zu, bevor er sich wieder zu ihr ge-sellte. 


Es ist erstaunlich, welche Begegnungen man auf einer Kreuzfahrt hat. Ich habe heute ge-lernt, dass es manchmal besser ist, intensive Erfahrungen, wie den Besuch eines Klosters, allein zu machen, um den Respekt für die Stille zu bewahren. Aber ich habe auch die Freude entdeckt, neue Eindrücke auf angenehm leichte Weise "kurz" mit Mitreisenden zu teilen, um über das Gespräch im Austausch zu erfahren, dass Motivation oder Intention für diese "Art von Urlaub" unterschiedlicher nicht sein kann, was ich als Bereicherung empfinde.

 

 

Diese Reise, stelle ich zufrieden fest, ist mehr als ein großartiges „Insel Hopping Abenteu-er“.  Wohin mich (menschlich gesehen) mein Solotrip als nächstes führen wird und wem ich noch persönlich näher kommen werde, kann durch "Bereitschaft zur Offenheit" beein-flusst werden. Es gibt nichts zu verlieren, wenn man über die Kommunikation ein Ventil findet, Eindrücke in Worte zu formulieren und sich in einem Gegenüber wieder findet, was dich versteht. 


Sei auch du dabei! Noch warten Tag 6 (Seetag) und Tag 7 (Santorin) darauf, gemeinsam erlebt zu werden, bevor an Tag 8 (Heraklion) die Reise gewiss endet, es zurück in die Heimat geht und der Solotrip verarbeitet ist ;)

 

In zwei Wochen erfährst DU wirklich alles über unglückliche Ehefrau-en, prahlende Ehemänner, aber auch über einen merkwürdig verheiß-ungsvollen Wellness Tag und einer Klangschalen- Propheizung, bevor es abends auf der "White Party" zu einer schicksalhaften Begegnung kommt, die du auf gar keinen Fall ver-passen darfst!

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