Last dance - 30 Jahre Disco

 

„Das legendäre Studio 54 in New York City schloss 1986 seine Pforten. Trotzdem ist es bis heute unerreicht, und mancher Discothekenbesitzer adelt seine abendlichen Veranstaltungen bis heute mit „Studio 54-Partys“, die an den Glanz des Vorbildes erinnern sollen!“ Wikipedia

 

Seite A – I just can´t get enough

 

Welcome to my reality! Sehr lang ist es her: die Hits der 80er, der 90er und die der 2000er sind längst durchtanzte Post- Vergangenheit. Die Erinnerungsfotos unzähliger „glücklicher Love Parades“ fristen in Grabbel- Schubladen (verbannt) ihr Dasein und verblassen doch allmählich vergilbt und angemodert. Nena wird 64 und singt immer noch von 99 Luftballons… Wo ist nur die Zeit geblieben, wo sich alles nur um Saturday Night Fever drehte?

 

30 Jahre Disco beginnt mit „Skandal um Rosi“. Ich, 16, jung und noch unschuldig, lebe in einem Kuhkaff in der Nähe von Paderborn. Aus dem elterlichen Zuhause auf Grund von zu zerrissener Jeans und heimlich gefärbter Haare frisch auf die Landstraße gesetzt, zieht es mich auf dem Höhepunkt der goldenen Neuen Deutschen Welle Phase bei „Sternenhimmel & Co“ hinaus in die erste kleinere Großstadt, wo ich als schöner Zivi - Popper (der da schon von einem ersten Date mit Shakin Stevens träumt) mein erstes eigenes kleines AWO- Zimmer beziehe und die erste Disco meines Lebens nach 20 Uhr betrete: das „Red“! Eintritt frei!

 

Schnell wird das Red mein abendliches zweites neues großes Wohnzimmer. Ich bin da gerade 16 Jahre jung, gestylt als New Waver und riesiger Depeche Mode Fan, der nur ihm ganz nahe sein will: Dave Gahan. Mit 17 trampe ich mutig nach Bielefeld und erlebe in einer Discothek Bronski Beat und stehe bei Soft Cell mit dem androgynen Mark schon in der ersten Reihe.

Mit meiner besten Freundin Karin geht es per Anhalter weiter nach Amsterdam. Dort angekommen erlebe ich eine David Bowie Cover Band… oh my god.. bin ich auf den Spuren von Christiane F?

 

Es folgt eine kurze, von The Cure geprägte schwarze Gothik-Fashion Phase und dann plötzlich, ist The Smith mit Leadsänger Morissey mein tragischer Super Heroe. All das erlebe ich und bin da noch keine 20.

 

 

Let the music play  - I wanna dance with somebody

 

Nachdem ich mich an Breakdance-  Moves versuche,  revolutioniert die Techno Welle wie ein Tsnumai kommend plötzlich und unvorbereitet die Discoszene Deutschlands.  Auf einmal ist Dortmund das Maydance - Mekka und ich, inzwischen in Köln studierend, ernte im Fach „Elementarer Tanz“ bei der Abschlussprüfung Bestnoten;)

 

Moby, Paul Kalkbrenner, Marusha  …Dj`s sind jetzt die neuen Stars am bunt leuchtenden Olymp of Dance. Auf House- Partys folgen lange, zu lange Trance Nights…. Was für Hammer Beats & tiefe Bässe. Nach durchtanzter Nacht bebt dein Körper. Die Musik wirkt noch lange in dir nach und du fühlst die Bedeutung der Melodien scheppernd in deinen betäubten Ohren.

 

Parallel zum frühen Outing als Partymaus, werden ich & meine neue Dance Community stark begeistert von einer gefühlt niemals enden wollenden, lange gefeierten Queen-of- Pop Madonna-Epoche.  Wir alle sind da schon mega divers im Vogue- Posing- Contest der besten Verrenkungen.

 

Every Saturday ließ ich in den Diskotheken der Stadt die Madonna  & die „ Uuups – Britney“ raus… ;))  

 

 

Matti live in Concert

 

Alle teuren Ticket Events von Kylie Minogue, Rick Astley, Cher, den Pet Shop Boys; Take That, backstreet boys usw. wurden exzessiv mit Schampus gefeiert, geradezu mit all den Party People FreundInnen bis zum Absturz mitgefühlt und später full in love mit „Rosenstolz- Peter“ unter Liebestränen durchlitten, weil sooo schön. Wir alle lagen uns bei „Lass es Liebe sein“ in den Armen und waren glücklich.

 

Unzählige weitere Live Konzerte folgten und immer mehr Partynächte wurden nun freitags, samstags und nun auch schon dienstags aneinander gereiht, bis einem mit Mitte 30 die Lichter angingen und ich mir erst da bewusst wurde, dass sich mit Ende 30 die Reihen an Mitstreitern auf der Tanzfläche bereits gelichtet hatten. Mich zog es dort hin, wo morgens um vier Uhr die Tanzfläche garantiert noch voll war.

 

Sonntag mittags taumelte ich in der gleißenden Sonne aus dem Berliner Berghain fallend und spürte immer noch die Bässe der Nacht in mir rasen. Mein viel zu schnell schlagendes Herz drohte in Gefahr zu geraten! Es / ich wollte nicht zur Ruhe kommen. Im Hintergrund rasten laute Krankenwagen in die Notaufnahme der Stadt, doch ich war in der Lage alle Schattenseiten auszublenden.

 

Viva TV  war da schon längst tot, Heike Makatsch wurde Schauspielerin und der süße Klaas wurde Pro 7 Moderator. Nur ich stand noch da – mitten in Berlin, einsam und allein auf der Tanzfläche der Suchenden .

 

Wo waren nur all meine „Rythm is a dancer“- Freundinnen hin, ohne Tschüss zu sagen?

 

In inzwischen alle Himmelsrichtungen verstreut, schlichen sich all die Feiernden von einst in Berufe und Familiengründungen davon, weil ein Zenit längst überschritten, alles tausendfach erlebt war und die strahlende Magie glänzender Augen im Morgengrauen ein anderes erschreckend trauriges Bild wiedergab, was man sich nicht länger antun wollte und konnte. Einige Weggefährten waren plötzlich tot – von jetzt auf gleich - die Frage nach dem warum und wieso wurde nie beantwortet, denn schon wartete die nächste Party, die man auf gar keinen Fall verpassen wollte.

 

All die besonders einzigartigen besonderen Momente einer gemeinsam durchzechten Nacht wurden zu der „Happy People“ - Schallplatte, die man nicht mehr hören konnte, weil sich alles wiederholte und keiner bereit war inne zu halten.

 

Das Besondere mutierte über die Normalität hin zum Zwang zur Fröhlichkeit. Aus mehr Schein wurde nicht Sein , sondern Falten, die kein Lachen mehr hervor brachten, sondern die Sorge darüber, wie es nur irgendwann einmal weiter gehen sollte. Samstag Nacht ohne Disco – wie sollte das aussehen?  

 

Mit Anfang 40 wurde es höchste  Zeit, der Tanzfläche aller Clubs schweren Herzens, aber mit einem Gefühl der erwachsenen Gelassenheit, den Rücken zu kehren. Die Zeit war auch für mich spätestens jetzt, im Vollzeit Job Verantwortung tragend, endlich gekommen und es war gut „Studio 54“ Lebe wohl zu sagen.

 

 

Kehrseite  B  -  Who want`s to dance forever?

 

Michaels Jacksons „Heal the world”  ist mit ihm gestorben. Whithney Houstons „I will always love you“ - Bodyguard ist, seitdem sie ersoffen in der Badewanne gefunden wurde, entzaubert und selbst George Michael erwischte es auf der Toilette so hart, dass er wenige Jahre später entschied, lieber vom Himmel herab sein Schicksal zu verarbeiten.

 

Diese großartige Disco Ära ist inzwischen sowas von beerdigt & verarbeitet. Sie liegt nun auch schon wieder 15 Jahre (!) hinter mir.

 

Was bleibt ist die „Musik von heute“, bei der es scheinbar aus gealterter Sicht nicht mehr lohnt, nachzuhaken, wer in den aktuellen Charts überhaupt angesagt ist. Die auf Platz 1 dahin genuschelten Deutsch Rap Songs tuen derart in den Ohren weh, dass ich gerne bereit bin ,mir meine eigene Streaming- Charts Dank Spotify & Co fürs Auto zusammen zu stellen, damit ich bloß nicht diesen Mist ertragen muss : Apache`s „Messerstecherei“ irgendwas - hört und grölt die Jugend von heute im Club - Unfassbar!

 

Wer von euch diese Erfahrung und Einstellung mitträgt, ist wahrscheinlich ähnlich in die Jahre der Desillusion gekommen. Doch Heulen ist nicht, denn nun befindet man sich in einer anderen Dimension, die mit Disco so rein gar nichts zu tun hat.

 

 

Ü50   - die traurige Atemlos - Reality

 

Willkommen im Zeitalter, wo ein turnusmäßiger Gang alle 6 Monate zum Zahnarzt inzwischen ergänzt wird durch regelmäßíge Kontrollbesuche bei diversen Genre Ärzten.  

 

Krebsvorsorge, Verdacht auf Grauer Star, Arthritis als Vorstufe einer drohenden Arthrose, weißer gutartiger Krebs und  erweiterte Prostata zuvor als Vorboten eines unaufhaltsamen Alterungsprozesses verdrängt, schieben sich in den Vordergrund und rauben dir die Energie und Kraft, die dich doch damals als vitales Duracell Häschen auf der Tanzfläche ausgemacht hatte.

 

Bei der Blutabnahme erfährst du noch etwas über den beunruhigenden erhöhten Ruhepuls… der körperliche Verfall nimmt sichtbar mit fast Mitte 50 so richtig an Fahrt auf und plötzlich ist sie da, diese Atemnot.

 

Schnelle Bewegungen führen zu Herzrhythmusstörungen. Ist das jetzt die Quittung oder die Rache,  weil es damals kein schlechtes Gewissen gab – Der Raubbau am Körper wird dir jetzt amtlich diagnostiziert um die Ohren gehauen. 

 

Wieso wusste ich das denn nicht schon früher. Niemand hat je ein Wort darüber verloren, oder?

  

Ich und Atemnot? Die Frage nach dem „wieso Ich?“ stellt sich spätestens beim Zusammentreffen mit weiten ehemaligen Disco Dance- Weggefährten, auf die man (unfreiwillig) beim Arztbesuch (nach Jahren des Verschwindens) wieder trifft, nicht mehr.

Alle Ü50 sind betroffen sichtbar gealtert. Alle leiden unter Rückenschmerzen, nehmen beunruhigende Pillen gegen alles, was hilft und alle sind einfach nur ratlos, wieso nichts mehr so ist wie früher.

 

Älter werden, alt sein - keiner hat Bock drauf, weil nicht sein darf, was leider die Wahrheit ist. Der Körper kann nicht mehr und macht einem den größten Strich durch die Party Rechnung. Eine Nacht tanzen kostet inzwischen so viel Kraft. Es  braucht inzwischen ganze drei Tage kompletter Regeneration plus unzähligen Stunden an Schlaf, um wieder einigermaßen zu funktionieren. 

 

Mit Ü50 trägst du plötzlich Brille und erträgst dein stärker silber grau schimmerndes Haar, was sich einfach nicht mehr wegretouschieren lässt. Was ja auch völlig geisteskrank wäre, würde man doch durch künstliche Intelligenz einen  Avatar erschaffen, der mit dem Hier und Jetzt so gar nichts mehr zu tun hat, denn der ungefilterte Erkennungsgang auf der Straße der Begegnung kennt kein Photoshop und auch keine Diskolichter.

 

Das innere Altern

 

Die Einsicht, dass wir alle in Gemeinschaft altern, ist nur ein schwacher Trost. Viel schlimmer ist das Innere altern als eine einzige Kapitulation, die dich einzig dazu auffordert, mit welcher Haltung du diesen Prozess früher oder später akzeptieren musst – es gibt nun mal keinen Jungbrunnen und sich für die nächsten 100 Jahre einfrieren lassen, kann es ja auch nicht wirklich sein.

 

 

Deine Disco Ära is over & over & over

 

und das gilt es zu akzeptieren! Was also tun, wenn die Tanzfläche dich nicht mehr will und dir ins Gesicht schreit, dass  inzwischen drei Generationen nach dir deinen Platz eingenommen haben? Die Antwort wird dir Dein privater Arzt oder dein Reha- Therapeut geben und dir bei der Suche nach deinem neuen „Studio 54 - Ich“ sicherlich gerne behilflich sein.

 

Die entsprechend fette Rechnung folgt und es wird korrekt für die Kasse aufgelistet, was die moderne Diagnose altersgerecht empfiehlt , was für dich und deinen Resterampe-body noch drin ist oder was stark gesundheits-gefährdend zu vermeiden ist: Tanzen geht nur noch auf eigene Gefahr – die Bandscheibe darf auf gar keinen Fall belastet werden!

 

That`s reality! Dein neues „Studio 54  Ich“ wird dir spätestens, wenn du bei nervösem Schlaf deine Gedanken kreisen lässt, wie es nur weiter gehen soll, auf jeden Fall diesen einen Rat geben und du wirst es ihm sowas von danken. 8 Stunden Schlaf  sind obligatorisch, ob du willst oder nicht. Halt dich dran und dir wird es erträglich gut gehen und deinen Tagesschmerz lindern.

 

Deine Party wirst du nun beim Joggen im Wald erleben, wenn plötzlich Glücksgefühle aus dir strömen, du deinen Körper neu entdeckst und du dein Ziel von 3km erreicht hast, ohne vorher zusammen zu brechen. Dann wirst du dich leicht fühlen und dann wirst du  wissen, dass alles gut ist, denn du hast mit deinem alten Disco - Ich endgültig abgeschlossen.  

 

 

Fazit für alle, die wie ich Ü50 sind:

 

Akzeptiere einfach, dass du deinen Geburtstag einmal im Jahr feierst. Gönn dir zweimal im Jahr deine ganz persönliche Studio 54 Party: Sei du der Star auf deiner Tanzfläche. Gönn der Jugend ihre Jugend, aber bleib im Herzen jung! Deine Zeit ist nicht vorbei, nur eben anders:

Schwelge in Erinnerungen, aber heule der Disco bei einem Wein tief ins Glas guckend nicht hinterher, sondern lächle.

 

Noch sind es 6 Jahre bis zur Ü 60- Party. Nena ist dann 71 und trällert bestimmt immer noch von „nur geträumt“ und bleibt wie ich im Herzen „forever young“.

 

Na, wenn das kein Anlass ist, eine alte Jeans zu zerschneiden und sich Bänder um den Arm zu wickeln. Passende Schweißbänder für die Stirn hast du bestimmt auch und dann lässt du mit mir im "Nena- Look" so richtig die Sau für eine Nacht raus. Bist du mit dabei?

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